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Differential-Prognose – Doch eher kühler Sommer 2010?

Angesichts des strengen Winters und des unerwartet sehr kühlen Maiverlaufs fragen sich viele Menschen, ob auch für den Sommer eine ähnlich unterkühlte Entwicklung zu erwarten ist. Ungewöhnlich ist das Jahr 2010 bisher allemal, liegt doch der Jahresdurchschnitt der ersten 5 Monate z.B. in Leipzig um 1.4 K unter dem langjährigem Mittel und ist somit die kälteste „Januar bis Mai-Epoche“ seit 14 Jahren (1996). Ein Grund für dieses niedrige Temperaturgepräge ist eine deutlich abgeschwächte Nordatlantik-Zirkulation in den vergangenen Monaten, wie folgende Grafik der Luftdruckanomalien verdeutlichen soll.





Ein weiterer möglicher Grund könnte im Verhalten der Sonnenflecken zu suchen sein. Normalerweise durchläuft die Sonne einen durchschnittlich 11-jährigen Zyklus wonach die auf ihr auftretenden Flecken regelmäßigen Schwankungen in der Anzahl unterworfen sind. Seit über zwei Jahren herrscht aber auf der Sonne eine in ihrer Dauer und Intensität ungewöhnliche Ruhephase. Die Fleckenanzahl war in jenem Zeitraum äußerst niedrig, in manchen Monaten (z.B. August 2009) war überhaupt gar kein Fleck auszumachen. Nach einem leichten Anstieg der Fleckenzahlen zu Beginn des Jahres zeigten die beiden letzten Monate sogar wieder eine rückläufige Tendenz. Die NASA geht derweil von einem relativ schwachem Maximum im Jahr 2013 aus.

Diverse Untersuchungen legen nahe, dass in der Vergangenheit längere Phasen des Ausbleibens von Sonnenflecken für einzelne Eiszeiten auf der Erde verantwortlich gewesen sind. Zwar darf der schwache Fleckenzyklus nicht generell als Ursache für den kühlen und unbeständigen Maiverlauf gewertet werden, könnte aber die längere Kaltphase erklären, die wir seit Dezember 2009 haben. Interessant ist jedoch, dass die globalen Temperaturen nicht mit dieser mitteleuropäischen Entwicklung korrespondieren. So waren z.B. März und April 2010 global gesehen mit die wärmsten Monate ihrer Art seit mehr als 100 Jahren. Wie groß der Einfluss der Sonnenflecken auf unser Klima ist, wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen, vorausgesetzt der Fleckenzyklus bleibt auf schwachem Niveau.

Was die Differential-Prognose für den Sommer nun angeht, ergaben sich folgende Ansatzpunkte:

War z.B. der Mai in Mitteleuropa (Mittel der Stationen De Bilt, Potsdam, Wien und Basel) um mindestens 1 K kälter als normal und gleichzeitig zu nass, so ergab sich seit 1841 zwar eine leichte Tendenz zu kühlen/normalen Sommern, allerdings nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 70%. Als statistisch signifikant kann das Ergebnis nicht gewertet werden. Anders sieht die Sache aus, wenn man neben der Kombination kühl-nasser Mai auch jene Jahre betrachtet, wo der April wärmer als normal und der Januar wiederum zu kalt oder maximal nur 1 K wärmer als im Mittel gewesen ist. Hier zeigte sich überraschend ein deutliches Ergebnis: In allen 11 Fällen, wo die genannten Vorbedingungen erfüllt gewesen sind (siehe Tabelle), war der darauffolgende Hochsommer (Juli + August) kälter als normal. Statistisch ist dies ein hochsignifikantes Ergebnis, liegt doch die Wahrscheinlichkeit für ein zufälliges Auftreten von 11 zu kalten Hochsommern in Folge nur bei 0,05 %!

Da auch in diesem Jahr alle Vorbedingungen dieses Zusammenhangs erfüllt waren, muss anhand der Untersuchung von einem zu kühlen Hochsommer 2010 ausgegangen werden, was jedoch klar im Widerspruch zum Haupt-Prognoseverfahren steht. Wie mit diesem Umstand beim nächsten Prognose-Update umgegangen wird, ist derzeit noch offen. Bedanken möchte ich mich bei Markus Peschel für die Zusammenstellung des Datenmaterials.


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